Alles Rotwild sowie Damhirsche frei


Neben dem 1. Mai sind sicherlich der 1. August sowie der 1. September wichtige Daten im Jagdjahr. Klar, 1. August bedeutet, dass die Rothirsche wieder frei sind. Doch hier bei uns liest sich dieser Termin noch anders:

Alles Rotwild frei!

Eine Sonderregelung nur für den Hochwildring Gartow-Lüchow ist unlängst verabschiedet worden. Danach ist alles Rotwild ab dem 1.8.2014 frei, d.h., auch Rotkälber und -tiere dürfen erlegt werden (Quellen: www.hochwildringe.de/www.hegering-gartow.de). Wie ist es dazu gekommen? Drei Überschriften aus unserer Regionalzeitung aus den letzten drei Jahren mögen hier eine Entwicklung verdeutlichen (Quelle: Elbe-Jeetzel-Zeitung):

Problemfall Rotwild: Kreisjägermeister Schüssler ruft bei Hegeschau der Kreisjägerschaft zu schärferer Bejagung auf.“

Im Bereich des Hochwildringes Gartow-Lüchow sei die Situation so ernst, dass man beschlossen habe, dort die Jagd auf das weibliche Rotwild schon ab dem 1. August freizugeben.“

Fast 600 Stück Rotwild sollen im laufenden Jagdjahr im Bereich des Hochwildrings Gartow-Lüchow erlegt werden – weil die Bestände aus dem Ruder zu laufen drohen.“


Seit drei Jahren verzeichnen wir zunehmende Wildschäden.
Nun also das dritte Jahr mit „allem Rotwild frei ab ersten August“. Die Regelung stößt vielerorts auf Unverständnis in der Jägerschaft. Manch' einer sieht seine Rotwildbrunft im Folgemonat in Gefahr, andere geben vor, dass die Kälber zu klein seien. 

Das – zumeist forstlich motivierte – „Gegenlager“ hofft aufgrund der hohen Bindung von Tier und Kalb auf eine Doublette oder postuliert die längst fällig Entlastung des Waldes von zu hohen Rotwildbeständen. So wird sicher die Umsetzung dieser Freigabe hüben wie drüben völlig unterschiedlich gehandhabt werden.

Ich bekenne mich freimütig zum zweiten Lager. Aber: Ob und wie wir davon Gebrauch machen können, ist völlig offen. Mindestens haben wir keine Probleme, angeblich zu kleine Rotkälber zu erlegen. Ein Reh mit 12 kg wird bejubelt, ein Rotkalb mit 17 kg ist aber zu klein?

Ebenso wenig sehr ich die Brunft in Gefahr. Aber auch diese Einstellung bringt mir jedoch regelmäßig Stirnrunzeln meiner Gesprächspartner entgegen, zum Teil sogar grobe Anfeindungen. Wir können dann noch so häufig erwähnen, dass trotz unseres Vorgehens der Brunftbetrieb läuft – es nützt alles nichts. Es darf halt nicht funktionieren. Wo kämen wir dahin, wenn man (uns in der Anfangszeit mit eingeschlossen!) zugeben müsste, jahrelang etwas Falsches nachgeplappert zu haben. 


Um zu verstehen, warum wir auch geringste Hirsche und Kahlwild in der Brunft jagen, muss ich zwei Grundsätze unseres Jagdbetriebs erläutern:

1. Punkt: Die Jagd in Intervallen. Im Februar, März, April sowie Juni, Juli und die letzten drei Wochen im November findet im Waldrevier keine Jagd statt! Mai, August und Dezember sind hingegen die Schwerpunkte unseres Jagdbetriebes. Sie werden von zwei revierübergreifenden Drückjagden jeweils Anfang Dezember/Januar flankiert. Freiwillig beenden wir die Jagd nach der Drückjagd im Januar. Und die Brunftzeit(en)? September und Oktober sehen – wenn überhaupt – nur einige wenige Gemeinschaftsansitze vor. Ca. vier Monate intensiv jagen und weitestgehend große Ruheintervalle sind unsere Ziele – tagaktives Rot-, Dam-, Schwarz- und Rehwild dankt es. 


2. Punkt: Ich liebe es, die Rot-/Damwildbrunft zu erleben. Aber: In den vergangenen zehn Jahren fielen trotzdem nur an einen (!) „romantisch angehauchten“ Ansitzmorgen zwei Rothirsche. Auch an diesem denkwürdigen Tag wurde ein Damschmaltier erlegt – leider das einzige Stück Lebensmittel. Denn: Meines Erachtens ist der Abschuss brunftiger Hirsche Lebensmittel-Vernichtung. Folgerichtig fallen bei uns im September und Oktober keine Rothirsche, ferner im Oktober und November keine Damhirsche. Zwar sind wir in diesen Monaten ohnehin nur „extensiv“ am jagen, aber wenn schon Gemeinschaftsansitze stattfinden, nutzen wir sich bietende Kahlwildchancen in der Peripherie des Reviers. Der Brunft in der Reviermitte/Ruhezone tat das übrigens nie einen Abbruch – obwohl, nicht nur aus Sicht des Rotwildes, unser Revier mit 239 Hektar nicht sonderlich groß ist.

Um nicht missverstanden zu werden: Jedem bitte seine Brunftjagd auf Hirsche, das Erleben unvergesslicher Stunden und die Erfahrung eines jagdlichen Zaubers, wie es eben nur die Brunft bescheren kann. Dennoch muss die Frage gestattet werden, was wir da konkret tun, bzw. (wichtiger!) wie die Außenwirkung unseres Tuns ist. Die oben skizzierte Erlegung bei der Hirsche mündete in der Produktion von Wildschinken (aus Keulen und Rücken) und einem Berg Hundefutter. Der Schinken gelang und mein BGS war dankbar für jede Menge (aus seiner Sicht) leckeres Futter. Aber kann es das sein?